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Neue Doppelspitze des BDKV im Interview
Vier Fragen an die Kulturmanagerin, Publizistin und Impresaria Sonia Simmenauer, Präsidentin des Bundesverbandes der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft (BDKV), und den Juristen und Kulturmanager Johannes Everke, Geschäftsführer des BDKV.
Sie haben gerade erst die Arbeit als Präsidentin und als Geschäftsführer des BDKV aufgenommen. Wie wird die Zusammenarbeit im Tandem aussehen?
SONIA SIMMENAUER: Johannes und ich teilen die Leidenschaft für unsere Branche, für unsere gemeinsame Sache als Verband und für die Musik und das Live-Entertainment im Allgemeinen. Dabei steht für uns auf der Liste ganz oben eine Kommunikation auf Augenhöhe und der Netzwerkgedanke. Es klingt so einfach, ist aber wahr: Gemeinsam sind wir am stärksten. Dies gilt für unsere Beziehungen zu unseren Mitgliedern, Vorstandskolleg/innen und Partner-Verbänden genauso wie im Verhältnis zu anderen branchenrelevanten Institutionen, der Politik oder den Medien. Wir sind fest davon überzeugt, dass im Miteinander die große Chance für gemeinsames Wachstum liegt - deshalb sind wir ja überhaupt auch in einem Verband tätig.
JOHANNES EVERKE: Tatsächlich ändert sich einiges beim BDKV, und wir treten als ein Team, nicht bloß als Tandem, an. Dieses Team besteht neben Präsidentin und Geschäftsführer aus dem gesamten neuen Vorstand. Und über Arbeitsgruppen beziehen wir die Mitgliedschaft mit ein. Denn die VUCA-Welt (eine von Volatilität, Unsicherheit, Komplexität und Ambiguität geprägte Realität), stellt uns dauerhaft vor sehr komplexe und mehrdeutige Herausforderungen. Und während man komplizierten Problemen mit Fachwissen beikommen kann, braucht es für die Lösung komplexer Sachverhalte Multiperspektivität und vielgestaltige Expertise. Das kann nur ein Team schaffen, welches divers aufgestellt und daran interessiert ist, sich gegenseitig zu motivieren, zu informieren und mit den jeweiligen Sichtweisen zu überraschen und zu bereichern.
Ihre beruflichen Hintergründe und Werdegänge haben Sie beide durch verschiedene Stationen in der Musikwelt geführt. Wie werden diese Erfahrungen Ihr Wirken im BDKV inspirieren, und was ist Ihnen unmittelbar wichtig?
JOHANNES EVERKE: Wir beide sind beim Hören von Musik thematisch sehr breit interessiert und vor allem neugierig und abenteuerlustig. Falls Sie das mit Ihrer Frage implizieren wollten: Übertragen auf die Verbandsarbeit sollten das ziemlich gute Voraussetzungen sein, weil es darauf ankommt, die verschiedensten Geschäftsmodelle, Charaktere und Themen unserer Branche zu verstehen und zu vernetzen. In meinem gesamten beruflichen Weg bis hierhin habe ich den Wert von Kooperationen schätzen gelernt und die besten Erfahrungen immer dann gemacht, wenn es gelungen ist, Brücken zwischen verschiedenen Positionen zu schlagen. Unsere Branche der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft ist genauso vielgestaltig wie der Hintergrund aus wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen, vor dem wir heute und in Zukunft arbeiten. Also geht es jetzt darum, unsere Gemeinsamkeiten zu betonen, Interessen auszugleichen und bei der Durchsetzung unserer Belange Solidarität und Einigkeit zu zeigen. Dann wird es uns auch gelingen, die kulturelle Vielfalt zu bewahren, die unser Musikleben so auszeichnet.
SONIA SIMMENAUER: In meiner Arbeit als Agentin, die landauf landab über vier Jahrzehnte Künstler/innen vermittelt hat, hat mich immer das enorme kulturelle und künstlerische Potenzial dieses Landes fasziniert. Wenn ich mit offenen Augen unterwegs war, haben mich Menschen und Kulturorte immer wieder zum Staunen gebracht. Also begegne ich auch den stetigen und notwendigen Veränderungsprozessen in unserer Gesellschaft mit Offenheit und Neugier. Als Präsidentin des BDKV sehe ich mich in der privilegierten Situation, diese Veränderungen aktiv mitzugestalten und für unseren großartigen Wirtschaftszweig wichtige Akzente zu setzen. Entwicklungen und Auswirkungen im Zuge der globalen Digitalisierung stehen dabei ebenso auf meiner Agenda wie die individuellen Bedürfnisse der Mitarbeiter/innen, des Publikums oder der Künstler/innen. Nachhaltigkeit und Diversität, die Entwicklung von Publikumsgruppen sind weitere Kernthemen unserer Zeit. Und wenn man zusätzlich noch bedenkt, dass der Konzertbetrieb die Aufgabe hat, Themen, Trends und Menschen zusammenzuführen, sind meine Erfahrungen also eine wunderbare Schule gewesen.
Nach den harten Corona-Jahren hört man von einigen Veranstaltern, für sie gehe es wieder deutlich bergauf, während viele andere sich weiterhin mit großer Unsicherheit konfrontiert sehen, neben fehlender Planbarkeit vor allem mit dem Fachkräftemangel und steigenden Energiekosten. Wie ordnen Sie diese unterschiedlichen Wahrnehmungen ein?
JOHANNES EVERKE: Zunächst einmal ist es für uns genauso wie für die Künstler/innen und Fans die größte Freude, nach den eingeschränkten Zeiten nun wieder das echte, unmittelbare Konzert- und Live-Erlebnis zu haben. Einige Nachwirkungen von Corona sind natürlich insbesondere bei Publikum und Fachkräften noch zu spüren, gleichzeitig ist der Markt von Krieg, Energiekrise und Inflation betroffen. Großartig, dass einige trotzdem schon wieder auf ausverkaufte Veranstaltungen schauen können. Das sind vor allem Superstars und Events mit viel Strahlkraft. Mit viel Aufmerksamkeit beobachten wir aber, dass das gerade bei kleineren Acts oder Nachwuchsthemen noch nicht der Fall ist. Die Gründe sind individuell unterschiedlich, und es bietet sich nicht eine einzelne Maßnahme als Allheilmittel an, um das wieder zu ändern. Wir - und da schließe ich neben unseren Branchenunternehmen auch Politik, Verwaltung, Gesellschaft und die übrige Wirtschaft mit ein - haben da noch viel vor uns. Vor allem die mangelnde Planungssicherheit ist ein erheblicher Faktor für aktuell noch verbreitete Zurückhaltung und Sorge von Veranstaltungsunternehmer/innen. Dabei würde uns die Fortführung staatlicher Hilfsmaßnahmen wie der angekündigte Energiefonds Kultur, der Festival-Förder-Fonds oder auch die schnelle Einführung des Kulturpasses Rückenwind verschaffen. Die kürzlich verkündete Fortsetzung der Wirtschaftlichkeitshilfe für Kulturveranstaltungen in Hamburg ist ein starkes Zeichen und hat hoffentlich Signalwirkung für den Bund und die anderen Bundesländer.
In einem Interview sprach die Kulturstaatsministerin Claudia Roth von dem Wunsch, Menschen zur Kultur zurückzuholen. Wie viel kann eine Initiative wie der Kulturpass für junge Menschen hier für den Live-Sektor beitragen?
SONIA SIMMENAUER: Ganz bestimmt ist der Kulturpass, wenn er tatsächlich alle - also auch die Privatveranstalter - berücksichtigt, eine schöne Initiative und ein guter, erster Schritt. Aus Frankreich kam die Idee, und die Potenziale für Branche und Publikum sind dort sichtbar. Es ist charmant, dass der Kulturpass die zwei Gruppen miteinander verbindet, die mit am meisten unter coronabedingten Maßnahmen gelitten haben: junge Menschen und Kulturschaffende. Wir wünschen uns, dass dieses Projekt erstens ausreichend finanziert ist, zweitens über mehrere Jahre läuft und drittens, wenn es wie angekündigt zum zweiten Quartal 2023 startet, auch eine schnell wirksame Hilfe für unsere Branche wird. Denn wir brauchen nach den Corona-Jahren und angesichts aktueller Krisen schnelle Maßnahmen, um wieder nachhaltig in Schwung zu kommen. Für die Umsetzung des Kulturpasses bieten wir der Politik gerne unsere Hilfe an, denn unsere Unternehmen haben alles dafür nötige Know-how. Auch für ein „Audience-Development“ kann der Kulturpass einen ersten Beitrag leisten. Wenn wir aber nicht nur die Corona-Generation der jetzt 18-Jährigen erstmals an Konzerte heranführen, sondern auch das Publikum der nächsten Jahre sichern wollen, braucht es noch drei weitere Maßnahmen. Erstens brauchen wir eine bildungspolitische Initiative mit Auswirkungen auf die Schulen und ihre Lehrpläne. Zweitens müssen wir eine gesellschaftspolitische Debatte über den gemeinschafts- und sinnstiftenden Wert von Kultur führen und drittens die wirtschaftspolitische Wahrnehmung und Wertschätzung der Musikwirtschaft als systemrelevanten Teil unseres Gesamtsystems steigern. Das alles braucht zwar längeren Atem, aber am Ende können wir damit das bunte, vielfältige und inspirierende Musikleben bewahren, was eine offene Kulturgesellschaft ausmacht und beflügelt.
(Fotos: BDKV/Lennart Rühle)
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