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Deutscher Bühnenverein stellt Demokratie und die Entwicklung von Arbeitszeiten im Tarifvertrag ins Zentrum seiner Jahreshauptversammlung
Welche Rolle die Theater und Orchester in Deutschland übernehmen, wenn es um die Demokratie geht, haben vom 13. bis 15. Juni 2024 die Mitglieder des Deutschen Bühnenvereins bei der Jahreshauptversammlung in Bielefeld diskutiert. In die Spielstätten der Bühnen und Orchester Bielefeld kamen rund 300 Theaterleiter, Kulturpolitiker und Vertreter aus der Kulturverwaltung, um an drei Tagen in Gruppen aktuelle Themen und Herausforderungen miteinander zu besprechen.
„Theater und Orchester für die Demokratie“ lautet der Titel der Kampagne, die Initiativen und Aktivitäten der Bühnen für Vielfalt, für Grundrechte, für Internationalität und für die Freiheit von Kunst und Kultur und damit für die Freiheit unserer Gesellschaft bündeln soll. An der Kampagne, die seit dem Welttheatertag im März läuft, haben sich bereits mehrere hundert Bühnen beteiligt.
„Seit langem sehen wir, dass unsere offene Gesellschaft unter Druck gerät. Das betrifft auch die Freiheit der Künste und die Arbeitsbedingungen der Bühnen in Deutschland. Deshalb unterstützt der Deutsche Bühnenverein mit der Kampagne ‘Theater und Orchester für die Demokratie’ die landesweiten Proteste gegen rechtsradikale Politik“, erklärt Bühnenvereinspräsident Carsten Brosda. „Die Theater und Orchester zeigen ihrem Publikum in ihrer Kunst tagtäglich, dass andere Zukünfte denkbar, spielbar und damit auch praktisch erreichbar sind. Sie setzen damit ganz praktisch einen Kontrapunkt zu Resignation und Fatalismus. Wir brauchen gerade jetzt die Bühnen als die Orte, an denen wir die Fragen behandeln können, die derzeit die Menschen in die Hände von Extremisten treiben. Wir müssen uns diesen Fragen stellen und können dazu einladen, sich für eine andere, bessere und solidarischere Welt zu entscheiden.“
Der Jurist, Philosoph und Publizist Michel Friedman eröffnete seine Rede auf der Jahreshauptversammlung in der Rudolf-Oetker-Halle mit der Frage „Wer hätte das gedacht?“. Wer hätte gedacht, dass die Kunst und Kultur in einen gesellschaftlichen und politischen Strudel gerate, in dem es um Frieden oder Krieg, Demokratie oder Diktatur gehe. Zu lange habe man sich um das gute Leben, um Wohlstand und Konsum gekümmert. „Wir sind zwanzig Jahre hinter der Zeit, was die Verhandlung der Demokratie angeht“, mahnte er vor den Mitgliedern des Bühnenvereins. Zuerst werde das Rechtssystem verändert, dann die Presselandschaft und spätestens dann die Kunst und Kultur. Das Theater sei einer der wichtigsten Orte des Verhandelns, der Ort einer Streitkultur, in der man miteinander rede, zuhöre und der Andere vielleicht Recht habe. „Das Autoritäre kennt das Ausrufezeichen. Die Kunst kennt das Fragezeichen.“
In Workshops ging es für die Teilnehmer der Jahreshauptversammlung um die Compliance an den Bühnen, Zugänglichkeit und Barrierefreiheit, Diversität, das künstlerische Arbeiten mit KI und die Frage, inwieweit sich eine ostdeutsche Sozialisation auf die künstlerische Arbeit in den alten Bundesländern auswirkt.
Auch die Arbeitszeit der Beschäftigten mit dem Tarifvertrag NV Bühne wurde unter den Arbeitgebern diskutiert. In den vergangenen Monaten hatten sich Theaterleiter in einem ThinkTank mit bestehenden Arbeitszeitmodellen an den Bühnen befasst. Basierend auf diesen Ergebnissen und denen eines gemeinsamen Workshops mit Bühnenverein und Gewerkschaften hat der Verband mittlerweile ein Arbeitszeitmodell für überwiegend künstlerisch Beschäftigte entwickelt. Dieses berücksichtigt die Interessen der Beschäftigten an größerer Planbarkeit der Arbeitseinsätze und schafft verbindliche Rahmenbedingungen, die Endproben ermöglichen und Ausgleichszeiträume vorsehen. Damit gewährleistet das Modell das Weiterbestehen von Ensemble und Repertoire.
„Es ist wichtig, dass wir die Transformation selber in die Hand nehmen“, betont Claudia Schmitz, Geschäftsführende Direktorin des Bühnenvereins. „Mit dem Vorschlag eines Arbeitszeitmodells, mit dem sich nun im nächsten Schritt der Tarifausschuss des Bühnenvereins befassen wird, wollen wir den Grundstein dafür legen, dass Ensemble und Repertoire weiterhin die Basis unserer Theater bleiben und gleichsam die Interessen der Beschäftigten besser berücksichtigt werden.“
Unter dem Titel „Zurück in die Demokratie - wie Theater und Journalismus dem Rechtsruck in der Gesellschaft begegnen“ diskutierten zum Abschluss der Jahrestagung auf dem Podium Professorin Dorte Lena Eilers (Hochschule für Musik und Theater München), die Autorin und Dramaturgin Juliane Hendes und der Journalist und „Correctiv“-Gründer David Schraven. Um miteinander ins Gespräch zu kommen - auch jenseits eigener Blasen - sei es entscheidend, einen Common Ground zu schaffen, von dem aus ein gemeinsames Verhandeln des gesellschaftlichen Miteinanders erst möglich werde, betonte Schraven - eine Aufgabe für Journalisten im Lokalen sowie für die vielen Bühnen in Deutschland.
(Foto: Deutscher Bühnenverein)
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